Wie man mit Stilpopanz die Gedankenarmut verschleiert
Manche Autorinnen und Autoren scheinen davon überzeugt zu sein, dass wissenschaftliches Schreiben gleichbedeutend sei mit unverständlich und umständlich zu schreiben.
Für wissenschaftliche Texte gelten strengere Maßstäbe als für Gebrauchstexte wie Werbebotschaften. Daher kommen Wissenschaftstexte oft behäbig und schwerfällig daher, weil die Urheber ihren Leserinnen und Lesern suggerieren wollen, dass sie ihnen gerade eine besonders gewichtige Erkenntnis vermitteln. Das Gegenteil ist oft der Fall: Die Umständlichkeit und Gewundenheit ihrer Sprache kennzeichnen geradezu Inhaltsleere. Schachtelsätze etwa sind beliebt, um die Dürftigkeit eines Gedankens zu verschleiern.
Wer wirkliche Erkenntnisse zu vermitteln hat, drückt diese so einfach wie möglich aus. Ein Problem mag schwierig gelagert sein – dann ergeben sich die Schwierigkeiten aus der Sache selbst. Die Welt ist komplex genug, weshalb Autorinnen und Autoren keinen Anlass haben, Dinge komplizierter zu machen als sie schon sind.
Der Journalist und Stilist Wolf Schneider machte in seinen Büchern unentwegt auf diesen Umstand aufmerksam: Wer sich eingestehen müsse, nicht genug zu sagen zu haben, „möge die Kraft haben, zu schweigen“ (Wolf Schneider, Deutsch für Profis).
Wissenschaftliche Texte brauchen nicht langweilig sein und auch dieser Textgattung tut Anschaulichkeit gut. Obwohl Immanuel Kant kein großer Stilist war, bemerkte er, dass abstrakte Begriffe leer seien, wenn sie nicht mit Anschauungen gefüllt werden. Beispiele machen eine Aussage anschaulich.
Bei der Lektüre des Buches von Wolf Schneider bin ich auf einen weiteren Gedanken gestoßen, den man in den meisten Stilratgebern nicht findet. Interessante Texte beschreiben Vorgänge und halten sich nicht damit auf, Zustände zu schildern. Diese Idee lässt sich noch ein wenig fortspinnen. Denn auch wenn in der Sache eine Zustandsschilderung angemessen ist, wird diese anschaulicher und lebendiger, wenn sie mit Aktivitäten verbunden wird. Aus demselben Grund beleben Maler ihre Landschaftsbilder mit handelnden Personen.
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